„Wir schenken der Welt ein menschliches Gesicht!“

A la carte im HandWerk

10.11.2016
Sandra Stysch in der Küche im Einsatz, hier mit Koch Florian Schmitt

Eigentlich ist Sandra Stysch technische Zeichnerin. Doch statt mit Plänen und architektonischen Konzepten hat es die 33-Jährige heute mit leckeren Gerichten, Weinen und hungrigen Gästen zu tun. Stysch arbeitet im Schweinfurter Kolping-Gasthaus HandWerk. Dort hat sie sich einen exzellenten Ruf als Servicekraft erworben – und das, obwohl sie ein Handicap hat. Stysch hört schlecht. Doch dank Hörhilfen kommt sie mit den Gästen super zurecht: „Außerdem kann ich von den Lippen ablesen.“

Seit genau einem Jahr gibt es das ins Kolping-Hotel integrierte Gasthaus. Die Eröffnung fiel in turbulente Zeiten, erinnert sich Maria Kraft, Geschäftsführerin des Kolping-Bildungszentrums. Von allen Seiten wurden vorweihnachtliche Feiern nachgefragt. Das junge Team des HandWerks hatte also alles andere als einen sanften Start. „Doch wir meisterten die Herausforderung gut“, so Restaurantleiter Martin Brückner-Marcato. Inzwischen ist es für die zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kein Problem mehr, Feiern auszurichten, zu denen 150 Menschen herbeiströmen: „Parallel läuft dann immer noch der A la carte-Betrieb.“

Gegründet wurde das HandWerk, nachdem der letzte Pächter des Restaurants ausschied. Das Kolping-Team entschied sich, nicht abermals auf die Suche nach einem Pächter zu gehen, sondern das Restaurant selbst zu betreiben. Dies sollte auf besondere Weise geschehen, nämlich in einem sogenannten Integrationsbetrieb. Was bedeutet, dass die Belegschaft zu einem hohen Anteil aus Menschen mit Behinderung besteht. „Ich lernte andere Kolping-Betriebe kennen, in Paderborn sogar Hotels, die nach diesem Konzept arbeiten“, sagt Kraft. Das begeisterte sie so, dass für sie klar war: Auch das HandWerk sollte ein Integrationsunternehmen werden.

Von den zehn Beschäftigten müssen vier mit einer deutlichen Einschränkung leben. Dazu gehört auch Bianca Ritzel. Der 22-Jährigen, die eine Ausbildung als Fachkraft im Gastgewebe absolviert hat, bereitet das Lernen große Schwierigkeiten. Wett macht sie diese Schwäche durch gewinnende Freundlichkeit und große Kreativität. „Niemand faltet so gut Kerzenservietten wie sie“, erzählt Martin Brückner-Marcato. Auch versteht Bianca Ritzel es ausgezeichnet, mit den Gästen umzugehen. „Der Gast ist König“, lautet ihre Devise. Als solcher hat er Anspruch darauf, nett bedient zu werden. Auch wenn man selbst einmal keinen so guten Tag hat: „Schlechte Laune muss draußen bleiben.“

Was aus dem einstigen Kolping-Restaurant geworden ist, kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen. Nicht nur das Personalkonzept passt wunderbar in eine Zeit, die den Gedanken „Inklusion“ endlich Wirklichkeit werden lassen will. Auch der groß angelegte Umbau wird von den Gästen als durch und durch geglückt gelobt. Das HandWerk wartet mit einer Wohlfühlatmosphäre auf, die sowohl den werktäglichen Feierabend als auch das sonntägliche Ausgeherlebnis verschönt. Großen Wert wird außerdem darauf gelegt, dass wirklich gutes Essen auf den Tisch kommt.

„Wir verwenden, soweit es geht, regionale Produkte“, berichtet Maria Kraft. Das betrifft nicht nur die Kürbisse für die Kürbissuppe und das Gemüse für das vegane Risotto. Gerade auch das Fleisch soll von Landwirten aus der Region kommen, denen eine artgerechte Tierhaltung ein Herzensanliegen ist. So besuchte das HandWerk-Team vor kurzem einen Rinderhalter aus Hofheim, um sich vor Ort davon zu überzeugen, dass sich seine Tiere wirklich wohl fühlen. Wer im HandWerk ein Fleischgericht essen möchte, kann dies also mit gutem Gewissen tun.

Dass es sich beim HandWerk um einen Integrationsbetrieb handelt, erfährt, wer den Text vorn in der Speisekarte liest. Viele tun dies nicht. Für sie ist das Restaurant im Kolping-Hotel ein ganz normales Lokal. So soll es auch sein, sagt Martin Brückner-Marcato. Ins HandWerk soll man nicht deshalb gehen, weil man seine Solidarität mit Menschen mit Behinderung ausdrücken möchte – sondern einfach deshalb, weil es hier unwiderstehlich gut schmeckt.

Die Gaststätte muss denn auch ganz normal, wie jeder andere gastronomische Betrieb in und um Schweinfurt, auf dem Markt bestehen. Das ist im ersten Jahr gut gelungen. Und alles deutet darauf hin, dass es mit einem inzwischen bestens aufeinander eingespielten Team auch in den kommenden Jahren so positiv weitergehen wird.

Maria Kraft

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Martin Brückner strahlt um die Wette mit seinem Team
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